Förderverein der Archenhold-Sternwarte
und des Zeiss-Großplanetariums Berlin e.V.

Dr. Jürgen Rose

Der Refraktor
Das Funktionsmodell in der Archenhold-Sternwarte

Der Große Refraktor der Archenhold-Sternwarte als technisches Denkmal in Funktion versieht seit 1896 dank aufwändiger Reparatur- und Werterhaltungsarbeiten noch immer regelmäßig seinen Dienst bei öffentlichen Beobachtungen und Vor führungen. Auch wenn gerade ältere Technik zur Vermeidung von Standschäden regelmäßig in Bewegung versetzt werden muss, bedeutet dies beim Riesenfernrohr wegen der Spezifik seiner Konstruktion, des hohen Lebensalters und der Aufstellung unter freiem Himmel ein stets abzuwägendes Einsatzrisiko.

Speziell kleineren Besuchergruppen können hingegen vertiefend oder ausschließlich Funktionsmodelle wesentliche Bewegungs- und Funktionsmerkmale von großen und betagten Vorbildern gefahrlos nahebringen. Diesem Leitgedanken folgend hat der Förderverein eine großzügige Geldspende der Familie Archenhold anlässlich des 100. Jahrestags der Einweihung des Riesenfernrohrs zweckgebunden in den maßstabgerechten Funktionsnachbau des Wahrzeichens der Sternwarte investiert. Bei der Realisierung des Fernrohrmodells im Maßstab 1:30 nahmen anfänglich ungeahnte Schwierigkeiten ihren Lauf, die so manchen Vergleich mit dem Vorbild nicht scheuen müssen, z. B. war auch das Funktionsmodell – adäquat zum großen Bruder – am Tage der Einweihung im Jahr 2004 leider nicht vollständig funktionsbereit, was gewiss in Gegenwart der edlen Spender peinlich war. Andererseits wurde dadurch so manche Anekdote aus dem hektischen Geschehen des Spätsommers 1896 bei der Großen Berliner Gewerbeausstellung aus berufenem Mund in Erinnerung gebracht…

Warum war es so schwierig, das Fernrohr-Funktionsmodell zu bauen?

Abgesehen von kriegsbedingten Verlusten existieren so gut wie keine detaillierten technischen Baupläne vom Großen Refraktor. Nach den historischen Berichten entstand das Unikat unter Zeitdruck, zudem sollte es nach Abschluss der Gewerbeausstellung an einen anderen Ort verbracht und dort dauerhaft aufgestellt werden, also wäre später Zeit gewesen, das Gerät ingenieurtechnisch aufzunehmen. Die vom Förderverein beauftragten Konstrukteure und Erbauer, Herr Klaus Abraham und Herr Jürgen Koopmann, sind sehr erfahrene Modellbauer, mussten aber zunächst das gesamte Riesenfernrohr bis in kleine Details vermessen und maßstäblich herunter rechnen, um daraus die Modellbautechnologie unter einer für den geplanten harten Dauerbetrieb im Museumsalltag zuverlässigen Materialauswahl und Pflegetechnologie zu erarbeiten. Wie beim Vorbild gab es auch beim Modellunikat keine Fachfirma aus dem Metall- und Elektrogewerbe, die ihre Bauerfahrungen einbringen konnte. Wir konnten finanziell bedingt auch keine Fremdleistung in Erwägung ziehen. In die Bauphase fiel zudem eine schwere Erkrankung eines der Modellbauer, dem an dieser Stelle für sein engagiertes Weiterbauen herzlichst mit besten Genesungswünschen gedankt sein soll.

Funktionsmodell - Dach
Detail vom Bau des Schutzdaches Foto: Mundt

Das ebenfalls durch seine Gegengewichte austarierte Funktionsmodell sollte möglichst detailliert die ästhetische Einheit aus den drei Funktionsbewegungen um die Stunden- und Deklinationsachse sowie dem bowdenzuggeführten Auf- und Ablassen des Schutzdaches widerspiegeln. Es sollte mindestens ein automatisierter vollständiger Bewegungsablauf, beginnend mit dem Abfahren des Schutzdaches, der Erhebung aus der dem Vorbild nachgestellten Parkposition über die Aufrichtung um die Deklinationsachse, dem vollständigen Schwenk um die Stundenachse und dem korrekten Rückfahren in die Ausgangspositionen in kontinuierlicher Bewegungsfortführung realisiert werden. Dank der ergänzenden Arbeiten an der Schrittmotorik, der selbstausrichtenden Grundpositionierung und der entsprechenden Programmierung durch Herrn Michael Dohrmann von der Sternwarte gelang dies bestens, wovon sich die Besucher der Sternwarte im Rahmen von Sonderführungen überzeugen können.

Auch der Förderverein musste beim Nachbau des Großen Refraktors seinen Tribut zollen, als zum Beispiel klar wurde, dass es um Bruchteile von Millimetern geht, damit die Gegengewichte in keiner Stellung des Fernrohrmodells gegen die kleinen Geländer stoßen. Auch die anfänglich zu dick aufgetragene Fundamentverkleidung wurde bei den ersten Probeläufen geschrammt, ganz wie beim echten Riesenfernrohr, so dort (trotz ausgesprochener Warnung) geschehen an zu dick aufgetragenem Putz bei jüngst durchgeführten Restaurierungsarbeiten am Fundament. Der Funktionsnachbau hat uns einen weiteren, ehrfurchtsvollen Respekt vor dem Qualitätsstand des großen Vorbildes eingeflösst und kann nun – hoffentlich nur noch bei dessen Routine-, Kontroll- und Wartungsarbeiten – sehr anschaulich den Großen Refraktor repräsentieren.

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