Förderverein der Archenhold-Sternwarte
und des Zeiss-Großplanetariums Berlin e.V.

Konrad Guhl

Die Wiederinbetriebnahme der Pendeluhren der Archenhold-Sternwarte

Am 12. März 2009 sind die historischen Pendeluhren der Archenhold-Sternwarte wieder in Betrieb genommen worden. Wie kam es dazu?

Geschichte der Strasser & Rohde Uhren in Treptow

Die vor dem 2. Weltkrieg in der Sternwarte vorhandene Hauptuhr der Firma Riefler ist zum Ende des Krieges verschwunden.
Zu der Geschichte der Zeitmesstechnik nach 1945 konnten folgende Quellen herangezogen werden:

  • Jahresberichte der Archenhold-Sternwarte
  • Buchhalterisches Archiv
  • Gespräche mit früheren Mitarbeitern und Erinnerungen des Autors
  • Abschriften der Werkbücher der Firma Strasser & Rohde

Im Jahresbericht 1950 wird über die Anschaffung einer neuen astronomischen Pendeluhr vom Typ B I der Firma Strasser & Rohde in Glashütte berichtet. Im Werkbuch von Strasser & Rohde ist die Lieferung einer Uhr vom Typ B I an die Archenhold-Sternwarte des Magistrats von Großberlin verzeichnet. Alle Werknummern der Firma begannen nach dem zweiten Weltkrieg mit einer 9, so trug diese die Nummer S920.

Im Jahresbericht 1957 wird über die Anschaffung einer zweiten astronomischen Uhr von Strasser & Rohde berichtet. Im Werkbuch ist die Lieferung einer B I Uhr an die Archenhold-Sternwarte mit der Werknummer S955 für den 6. 3. 1958 vermerkt. Da der Jahresbericht 1957 im Jahr 1958 verfasst wurde ist diese Unstimmigkeit erklärbar. Mit den Hinweisen auf die jeweilige direkte Lieferung kann auch ohne Vorliegen von Original-Rechnungen von der Echtheit beider Uhren ausgegangen werden.

Durch die zeitlich versetzte Lieferung beider Uhren zur Errichtung der üblichen Kombination von Weltzeit- und Sternzeituhr ist eine homogene Uhrenanlage für Beobachtungsbetrieb und Uhrenkontrolle erst ab Mitte der 60er Jahre der vergangenen Jahrhunderts im Betrieb gewesen*.

Die Uhrenanlage hatte folgende Grundstuktur:

Bei beiden Uhren wird das Signal der Pendelschwingung als Sekundenimpuls abgenommen. Die vom Hersteller dafür vorgesehene Konstruktion erwies sich jedoch als nicht langzeittauglich und wurde in der Werkstatt der Sternwarte durch eine berührungslose Kontaktabnahme (Pendel bewegt sich durch Lichtschranke) ersetzt. Das über Transistoren und Relais verstärkte Signal wird wie folgt weiterverarbeitet:

  • Der Sternzeitsekundenimpuls dient als Basis für die uhrengesteuerten Antriebe (UHRGAN) der Fernrohre.
  • Die Sekundenimpulse von Stern- und Weltzeituhr schalten an den Fernrohren die Nebenuhren für den Beobachtungsbetrieb.
  • Das Weltzeitsekundensignal kann bei Bedarf (z. B. bei Beobachtung von Kontaktereignissen oder Uhrenkontrolle) auf die beiden äußeren von insgesamt 5 Nadeln eines Nadelchronografen geleitet werden.

Da der Nadelchronograf auch vom Rundfunkzeitzeichen angesteuert werden konnte war eine Uhrenkontrolle möglich. In den 60er bis 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts wurde diese Uhrenkontrolle täglich ausgeführt und protokolliert. Über eine Interpolation von Uhrenkontrolle zu Uhrenkontrolle konnte zu jeder Ablesung die reale Zeit ermittelt werden.

Die Abbildung rechts zeigt die Uhrenanlage in der Ausstellung der Sterwarte in den 60er Jahren.

Das Konzept der zentralen Uhr und der Verteilung der Signale an die Instrumente hat sich mit der Verbilligung genauer elektronischer Uhren, der Verfügbarkeit der Funkzeitsignale und dem Einsatz von Computern überlebt. Anfang der 90er Jahre des vergangenen Jahrhunderts endete der Betrieb der Uhrenanlage, die in den letzten Jahren ihrer Nutzung nur noch der Fernrohrantriebssteuerung diente.

Die Uhren waren in den neunziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts Ziel eines Einbruchdiebstahls. Dieser Diebstahl konnte zum Glück nicht vollendet werden, jedoch sind aus beiden Uhren die Pendel gewaltsam herausgerissen worden und gestohlen. Die Uhrwerke und die Gehäuse wurden beschädigt. Das Bild links zeigt die Rückseite eines Uhrwerkes mit einem verbogenen Weiser der Uhr. Da vorerst keine Möglichkeit zur Reparatur bestand, wurden die Uhren demontiert und eingelagert. Dieser unbefriedigende Zustand wurde vom Förderverein der Archenhold-Sternwarte aufgegriffen. Es wurde beschlossen Partner für eine Reparatur und Wiederaufstellung der Uhren zu finden. Da die Beschaffung eines Originalpendels (Strasser und Rohde Doppelzylinder Pendel Typ 13) auszuschließen war, kam nur ein Nachbau des Pendels und ein Einbau in einer geeigneten Werkstatt in Betracht.

Als Experte für Uhrenpendeln und deren Nachbauten konnte der Uhrensammler Kai-Eric Lasarzik gewonnen werden. Herr Lasarzik übernahm die Anfertigung der beiden Pendel und der Pendelaufhängungen. Dabei konnte er auf original Rundmaterial aus Invar zurückgreifen. Dieses Material stammt aus Restbeständen der Großuhrenfertigung. Beide Pendel sind im Jahr 2008 angefertigt worden. Die Werkstatt des Deutschen Technikmuseums hatte zwischenzeitlich die Holzgehäuse der Uhren repariert so daß die Uhrwerke, die Pendel und die Holzgehäuse im Jahr 2008 der Firma Askania zu Montage und Inbetriebname übergeben werden konnten. In der Werkstatt der Askania AG in Berlin-Friedenau wurden unter der Leitung von Herrn Meier die Werke gereinigt und alle Teile montiert. Nach Probelauf in den Werkstätten von Askania wurde ein neuer Standort in der Ausstellung der Archenhold-Sternwarte gefunden.

 

Die Leistung der Fa. Askania und des Fördervereins ist mit folgender Tafel geehrt:

Auf dem Kolloquium zur Wiederinbetriebnahme wurden nach einem Vortrag zur Zeitmessung und Zeitbewahrung von Eckehardt Rothenberg, die Geschichte der Uhren auf der Archenhold-Sternwarte durch Konrad Guhl und die Vorstellung der Firma Askania durch Herrn Leonhard R. Müller präsentiert.

*Eine interessante Episode zur Zeitkontrolle bei Beobachtungen schildert Dieter B. Herrmann in seinen Erinnerungen, "Astronom in zwei Welten" 1. Auflage S. 36: Der junge Amateurastronom assistierte bei der Beobachtung der Sonnenfinsternis von 1954 durch Uhrenablesung und "Ausrufung" der vollen Minute an die Beobachtungsplattform am Großen Refraktor – die Sonnenfinsternis hat er dabei nicht gesehen.

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